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Jede Kultur ist die Antwort auf eine Krise, so hat der Historiker Arnold Toynbee sinngemäß den Ablauf der Geschichte beschrieben. Die unmittelbare Antwort des EMT-Verbunds europäischer Übersetzungsstudiengänge auf die Herausforderungen der Covid-Krise war eine Art Coronakultur der Übersetzerausbildung unter den neuen besonderen Bedingungen einer weltweiten Epidemie, wie sie sich zuvor niemand hätte ausmalen können.
Im ersten Augenblick schien es, als hätten das heimtückische Virus und die Maßnahmen zu seiner Bekämpfung alle Bemühungen des neugewählten Verbunds seit Oktober 2019 – die Einarbeitung des neuen Vorstands, die Festlegung von Schwerpunkten und die Planung der nächsten Verbundstagungen – zunichtegemacht oder der Arbeit zumindest schweren Schaden zugefügt. Keine persönlichen Begegnungen mehr, kein lebendiger Austausch, keine spontanen Ideen für die künftige Zusammenarbeit, wie sie in Kaffeepausen geboren werden … Das Virus schien in die Herzkammer von EMT vorgedrungen zu sein!
Doch nach dem ersten Schock, nach einem – bildlich gesprochen – kurzen Aufenthalt in der Intensivstation genas der Patient unverzüglich und nutzte seine wiedergewonnene Kraft, Verbindungen herzustellen und Koalitionen zu schmieden, um die durch die Corona-Maßnahmen verhängte Isolation aufzubrechen. Zwar mußte die Märztagung sang- und klanglos gestrichen werden, aber dann war Schluß mit der ‘Cancel culture’ und eine überaus schöpferische Phase begann. Die verschiedenen Methoden des Fernstudiums, digitale Hilfsmittel und im Internet zugängliche Quellen, deren Verwendung zuvor als Nebenthema diskutiert worden war, rückten über Nacht ins Zentrum des Interesses. In der Corona – distance teaching & assessment group setzte ein reger Austausch über nachahmenswerte Verfahren, Kunstgriffe und Empfehlungen ein, der zu einem Bündel von Soforthilfsmaßnahmen führte. In der Krise verwandelte sich das Netzwerk in ein Sicherheitsnetz. Das Virus forcierte die allgemeine Tendenz zum Fernstudium, zur Nutzung neuer digitaler Hilfsmittel für Unterricht und Leistungsbewertung. Nach den Worten eines Gesprächsteilnehmers der Corona-Gruppe hat die Seuche die schon seit geraumer Zeit schwelende Krise beispielsweise im Sprachunterricht und der einschlägigen Leistungsbewertung offen aufbrechen lassen und Lösungsvorschläge hervorgebracht, die eines Tages zur allgemeinen Richtschnur werden könnten.
Die sechs Arbeitsgruppen zu den Themen Außenwirkung von EMT, Technologische Fertigkeiten, Übersetzung in die zweite Sprache, Übersetzung von Ton- und Bildmaterial (AVT), Hilfsmittel zur rechnerunterstützten Übersetzung (CATO) und Übersetzung und Verdolmetschung für soziale Dienste (PSIT) nahmen ihre – virtuelle - Tätigkeit auf. Allen Unkenrufen zum Trotz klappte die Koordinierung über das Netz hervorragend.
Was weiter? In diesen Zeiten äußerster Unsicherheit sind detaillierte Notfallpläne das A und O. Einstweilen steht nur fest, daß die nächste EMT-Verbundstagung am 29. und 30. Oktober weitgehend virtuell erfolgen wird, das heißt nur die Referenten nach Brüssel reisen. Auf der Tagesordnung stehen neben den Berichten aus den Arbeitsgruppen und über andere Maßnahmen des Netzes Treffen mit den Leitern der Sprachabteilungen in Form virtueller Einzelbesprechungen sowie Debatten über künftige Schwerpunktthemen. Das EMT-Personal wird dabei vor großen technischen Herausforderungen stehen, wenn es zwischen dem einen IT-Programm zur Veranstaltung verdolmetschter virtueller Plenarsitzungen und einem anderen für die Einzelbesprechungen jonglieren muß. So dient die Veranstaltung auch als Generalprobe für künftige Notfalllösungen. Noch hoffen wir, daß die für März 2021 in Leipzig geplante EMT-Frühjahrstagung in mehr oder weniger traditioneller Form verlaufen kann, aber das ist ja keineswegs ausgemacht.
Es versteht sich von selbst, daß auch die besten virtuellen Lösungen die Lebendigkeit und Spontaneität von Präsenzveranstaltungen, die zufälligen Gespräche in den Kaffeepausen beispielsweise, nicht ersetzen können. Doch die gegenwärtige Krise stellt eine Chance dar, Notfallpläne zu üben, neue Hilfsmittel zu erproben, so daß wir für künftige Seuchen, Vulkanausbrüche und andere Katastrophenszenarien, die die Arbeit des Verbunds zu beeinträchtigen drohen, besser gerüstet sind. Nehmen wir die Herausforderung an und bringen die Coronakultur von EMT zu voller Blüte!
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 1. September 2020
- Autor
- Generaldirektion Übersetzung
- Sprache
- Niederländisch
- Englisch
- Deutsch
- EMT-Kategorie
- Aktivitäten des EMT Netzwerks